Mit Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger im Dialog

Von keinem geringeren als der saarländischen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger erhofften sich die Mitglieder des Homburger Gewerbevereines Antworten auf drängende Fragen, die sich aus dem bisherigen Verlauf der Corona-Krise branchenübergreifend für das Unternehmertum ergeben haben. Dazu hatte Vorsitzender Marcel P. Schmitt Rehlinger zu einer erfreulich gut besuchten Diskussionsveranstaltung ins Schlossberg-Hotel eingeladen. 

„Anfang des Jahres haben wir alle etwas erlebt, womit wir nie gerechnet hätten: ein völliger Stillstand, eine Atemnot, ausgelöst durch einen noch nie dagewesenen Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie. Ganze Existenzen standen oder stehen noch auf dem Spiel, zudem die Ungewissheit, was noch kommt. Andere wiederum haben die Krise als Chance genutzt. So sind viele neue Geschäfts-Modelle entstanden, die teilweise richtig rentabel geworden oder zumindest zu einem Teil kostendeckend sind. Sehr schnelle Hilfen des Landes waren für den einen ein Rettungstuch, aber wiederum für andere lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Dem Bild, das Vorsitzender Schmitt eingangs zeichnete, fügte die Ministerin im Laufe der Veranstaltung die Farben zu. Doch erst einmal der Rückblick. Die Regierungen waren zweifach gefordert: Pandemie eindämmen und wirtschaftliche Folgen abfedern. „Dabei war zu beachten, dass trotz des Infektionsgeschehens die anderen Probleme wie Strukturwandel und Stellenabbau ja auch noch da waren“, so Rehlinger. Zunächst sei es aber wichtig gewesen, eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Kein Mediziner sollte in die Entscheidungssituation gebracht werden, wer ein Beatmungsgerät bekommt und wer nicht. Das Thema Belastung des Gesundheitssystem habe gleichermaßen für den öffentlichen Gesundheitsdienst gegolten, der Maßnahmen anordnet und das Quarantäne-Regimes organisiert. All das konnte nur bewerkstelligt werden, „weil wir an anderer Stelle – in der Wirtschaft – einen hohen Preis dafür bezahlt haben. Die überwiegende Zahl der Betriebe ist nach wie vor beeinträchtigt, davon einige zu hundert Prozent.“ Schnell habe man der Wirtschaft mit Soforthilfen unter die Arme gegriffen, noch bevor der Bund nachgezogen war. Ziel sei zu keiner Zeit gewesen, Umsatzverluste damit auszugleichen, sondern Insolvenzen zu vermeiden. „Bei den Branchen, wo jetzt gar nichts geht wird man nachbessern müssen. Etwa die Veranstaltungsbranche, das Messe- und Congress-Wesen, Bars und Diskotheken, Reisebusse, Reisbüros, Veranstaltungstechnik, Schausteller.“ Das Saarland sei ein wenig stärker betroffen als der Rest der Republik, „weil wir zum Teil eine hohe Vorbelastung haben. Der Strukturwandel hat uns vorher schon in ein schwieriges Fahrwasser geführt und der Brexit hat der Automobilindustrie zugesetzt.“ Die Grenzlage nütze zwar dem Einzelhandel, doch der hat in der Krise durch die Grenzschließungen deutlich mehr Umsatzverluste als anderswo hinnehmen müssen. „Wir waren also stärker belastet als die andern und müssen jetzt sehen, wie wir gestärkt aus der Krise harauskommen, sonst werden wir am Ende abgehängt.“ Das Soforthilfeprogramm, die Deckung der Einnahmeverluste im ÖPNV und Zuschüsse für Betriebe ab elf Beschäftigten, seien Beiträge des Landes. Noch gebe es kein auffälliges Insolvenzgeschehen. Sollten Anzeichen erkennbar sein, müsse man aber auch die Gläubiger im Blick haben, damit es keine Dominoeffekte gibt. Rehlinger räumte ein, dass die anfänglichen Maßnahmen einschneidend und nicht überall gerecht waren. „Wir waren an dem Punkt, wo wir nicht mehr branchenspezifisch erklären konnten, warum der eine öffnen durfte, der andere aber nicht. Damit war klar: Wir brauchen über alle Branchen hinweg abstrakte Kriterien. Maske, Abstand soviele Peronen pro Quadratmeter, und das muss dann für alle gelten, plus Zusatzkrieterium, wo es nicht ausreicht.“ Immerhin: Wegen der Krise flossen Gelder, die vorher etwa für Digitalisierung, ÖPNV und digitale Bildung nicht geflossen waren. Geplant sei im Herbst eine Beteiligungsgesellschaft, die zukunftsfähige Firmen finanziell flankiert, damit Banken nicht abspringen, sowie eine Transformationsgesellschaft für die Weiterbildung von Beschäftigten, die in anderen Branchen Arbeit finden müssen. Seitens der Teilnehmer kam der Hinweis, dass bei öffentlichen Ausschreibungen und Vergaben wohl „Sand im Getriebe sei“, weil die Zahl von Aufträgen sehr zurückgegangen sei. Rehlinger gab zu verstehen, dass durch die Krisenbewältigung kaum Zeit für Ausschreibungen war, dass aktuell aber Gespräche dahingehend laufen, das öffentliche Vergabewesen etwas liberaler zu handhaben und etwa Vergabegrenzen höherzusetzen. Ein Kinobetreiber machte deutlich, dass die aktuelle Sitzplatz-Praxis alles andere als wirtschaftlich sei. Weil in anderen Bundesländern vorteilhaftere Vorgaben gelten, hätten die saarländischen Kinobetreiber das Gespräch mit dem Landtag gesucht, seien aber bislang ignoriert worden. Die Betreiberin einer Schülerhilfe hofft auf klare Aussagen zur Frage des Mund-Nasen-Schutzes und zur finanziellen Unterstützung von Eltern, die sich wegen der Krise Nachhilfe nicht mehr leisten können. Ein Eventmacher bekam die immerhin positive Aussage zu hören, dass im Falle dessen die gültigen Bestimmungen Veranstaltungsformate unmöglich machten, auch an eine Existenzsicherung für Veranstalter zu denken sei. Eine weitere Frage betraf die Verkaufsaktionen und Weihnachtsmärkte zum Jahresende. Rehlinger rechnet nicht damit, dass bis dahin Sicherheitsbestimmungen gelockert würden. Die Hoffnung aller sei auf einen Impfstoff gerichtet. Bis dahin brauche es kreative Ideen und angepasste Formate.


Foto & Text: Rosemarie Kappler



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